Morgens, wenn die Uhr auf 8 geht
Thema des Monats Mai 2019
Mit seiner Trödelei macht Benni (6) mich noch wahnsinnig. Wir stehen morgens rechtzeitig auf, machen uns gemütlich fertig, frühstücken… Wenn ich ihm dann sage, wann er nochmal aufs Klo gehen und die Schuhe anziehen soll, damit wir rechtzeitig loskommen zur Schule, fängt der Ärger an. Alles muss ich öfter sagen, bis er es macht, und dann trödelt er 'rum, verliert sich in Kleinigkeiten, erzählt und erzählt und vergisst dabei, die Schuhe anzuziehen...
Mit diesem Problem stehen Sie nicht alleine da. Das ist auch kein Wunder - Kinder haben noch kein Zeitgefühl wie Erwachsene. Sie leben oft noch ganz im Hier und Jetzt und können sich ganz selbstvergessen in eine Sache vertiefen. Und selbst wenn Benni die Uhr schon lesen könnte, bedeutet das noch nicht, das er sich der Zeit als solcher auch bewusst ist. Bis er gelernt hat, wie sich eine bestimmte Zeitpanne anfühlt, wird er selbst nach dem Erlernen der Uhr noch eine Menge an Erfahrung sammeln müssen. Der Schulalltag mit seinen festen Zeitrhythmen – Länge des Schulweg, der Schulstunden, der Pausen – ist dabei ein wichtiges Lernfeld; sie werden ihm helfen, allmählich (!) ein Gespür dafür zu bekommen, was zehn Minuten oder eine halbe Stunde bedeuten.
Das alles ist wichtig zu wissen, denn es zeigt: Benni will Sie mit seinem „Trödeln“ nicht nerven oder ärgern. Wenn er Ihnen zum Beispiel beim Schuhe anziehen etwas erzählt, was er gestern erlebt hat, dann gerät er dabei wahrscheinlich gefühlsmäßig so in den Bann dieses Erlebnisses, dass seine aktuellen „Pflichten“ daneben völlig verblassen. Dahinter steckt aber keine Absicht. Dagegen hilft nur freundliches (!) Erinnern, um seine gesamte Aufmerksamkeit aufs Schuhe anziehen zu lenken. Helfen könnte es auch, wenn Sie möglichst viele Dinge – Zähne putzen, anziehen… - gemeinsam mit ihm machen; umso eher können Sie verhindern, dass er sich ablenken lässt. Eine andere Möglichkeit wäre es, die morgendlichen Abläufe mit Hilfe eines Weckers in mehrere kleine Abschnitte zu zerlegen, so dass Benni öfter (und nicht von Ihnen!) an die Zeit und die notwendigen Verrichtungen erinnert wird. Oder Sie machen ein „Geheimzeichen“ aus, dass jetzt „Beeilung“ angesagt ist.
Eine ganz andere Überlegung wäre, sich einmal zu fragen: Wer hat eigentlich das Problem – Sie selbst oder Benni? Wahrscheinlich eher Sie selbst, während Benni sich darauf verlassen kann, dass Papa ihn schon rechtzeitig zur Schule bringen wird. Anders sähe das aus, wenn Sie Benni selbst die Verantwortung für seine Pünktlichkeit überlassen könnten, zum Beispiel indem Sie ihn – nach Absprache mit der Lehrerin - das eine oder andere Mal tatsächlich erst verspätet in der Schule abliefern. Die Peinlichkeit dieser Erlebnisse könnte Bennis Bereitschaft, genauer auf die Zeit zu achten, erheblich steigern.
Weitere Artikel und Linktipps zu diesem Thema finden Sie unter Familie von A-Z (Ehe und Partnerschaft).
Zu den Seiten der Elternbriefe.